5

Memoridermata


Erinnerung der Haut

Holz


Die Figuren stehen einander gegenüber wie entgegen. Sie sind durch den gleichen Sockel verbunden, sehen sich manchmal an, manchmal nicht.


Sie sind als Menschen erkennbar, die aber auch etwas Animalisches haben.


Wenn ich als junger Mensch durch die Straßen der Städte ging, da war mirs, als müsst ich all diese dahinhastenden Leute mit ihren stumpfen Gesichtern festhalten und ihnen zuschreien:


So bleibt doch stehen und denkt einmal nach und kostet es aus dieses ungeheure Woher – Wohin – Warum!“


(Franz Werfel, Der veruntreute Himmel. Frankfurt (Fischer) 1992, S. 321)


Diese Gruppe von Skulpturen ist die Hauptarbeit der Serie „advanced minorities“, übersetzt also etwa „hoch entwickelte Minderheit“. Die Arbeit liegt auf einem 8X4 m großen Sockel, der in sich gefräst ist und einen weichen Boden ergibt, wie er in einem Wald zu finden ist. Die Fräsung des Sockels geht über in die Füße der Figuren, Fell geht in Haut über. Aron Demetz vergleicht das Leben der Menschen mit dem der Bäume im Wald. Die Menschen stehen wie Bäume im Wald herum. Es ist eher ein zufälliges Nebeneinander als ein erkennbares Miteinander.


Die Menschen erscheinen unfertig. Man weiß nicht, ob sich ihr Körper gerade von einer ersten Haut, einer Art Fell, trennt oder schon eine neue, eine glatte bildet.


Unter der zweiten, der menschlichen Haut liegt also noch anderes, Mysteriöses, Verdecktes, im Bildsinne Haariges. Der Mensch mag sich für hoch entwickelt halten, die Skulpturen lassen vermuten, dass der Mensch noch ganz und gar


nicht ganz der Mensch ist, der er werden kann, dass er weder ganz zu sich selbst noch zu den Mitmenschen gefunden hat.


Alle Hast lassen, innehalten, nachdenken, sehen, wo wir unfertig sind, zueinander finden, das könnten in der Begegnung mit dieser Skulpturengruppe adventliche Impulse sein. Wenn wir, die aus animalischer Instinktbindung, aber eben auch Instinktsicherung herausgewachsen sind, nicht stumpf bleiben, sondern wirklich Menschen werden wollen, dann sollten wir den Fragen nach dem Woher und Wohin und Warum nicht ausweichen. Und die stellen sich, wenn die Tage immer kürzer und die Welt immer dunkler wird.


Share by: