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Hände -  Zentralfriedhof

 

Der Künstler Aron Demetz stammt aus einer südtiroler Schnitzerfamilie. Er setzt die Tradition der sogenannten „Herrgottschnitzerei“ in moderne Formen der Bildhauerei um. Die vorliegende Figur ist aus Bronze und reagiert auf die Trauer einer Mutter, die ihren Sohn durch Suizid verloren hat. Sie wünschte sich eine Erinnerung an ihren Sohn, anders als ein Portrait, die ihr Trost spenden sollte.

 

Der Künstler wählt den Kontrast von Licht und Dunkelheit: Eine menschliche, geradezu verkohlte Figur wird gehalten von einer größeren, lichtvollen Gestalt. Die Lichtgestalt hält den Menschen in seiner Dunkelheit mit einer schutzengelgleichen, bergenden Geste. Ihre Hände sind nicht bedrohlich, sondern wenden sich vielmehr in leichter Zurückhaltung dem Menschen zu.

Der Mensch steht mit dem Rücken zu der Gestalt, er ist sich ihrer Anwesenheit nicht bewusst und doch wird er nicht nur von zweien, sondern gleich von vielen ihrer Hände zärtlich umfasst.

Die Skulptur erinnert an den Psalm 139, der von der Anwesenheit Gottes in all unseren Lebenslagen, aber auch von der Rätselhaftigkeit dieser Erfahrung erzählt. Der Psalmist singt zu Gott…

 

…Herr, Du hast mich erforscht
und Du kennst mich.

Ob ich sitze oder stehe,

du weißt von mir.

Von fern erkennst du meine
Gedanken.

Ob ich gehe oder ruhe,
es ist dir bekannt;

du bist vertraut mit all
meinen Wegen.

Noch liegt mir das Wort

nicht auf der Zunge -

du, Herr, kennst es bereits.

Du umschließt mich von allen Seiten

und legst deine Hand auf mich.


Zu wunderbar ist für mich dieses Wissen,

zu hoch, ich kann es nicht begreifen.

Wohin könnte ich fliehen vor deinem Geist,

wohin mich vor deinem Angesicht flüchten?

Steige ich hinauf in den Himmel, so bist du dort;

bette ich mich in der Unterwelt, bist du zugegen.

Nehme ich die Flügel des Morgenrots

und lasse mich nieder am äußersten Meer,


auch dort wird deine Hand mich ergreifen

und deine Rechte mich fassen.

Würde ich sagen: «Finsternis soll mich bedecken

statt Licht soll Nacht mich umgeben»,

auch die Finsternis wäre für dich nicht finster,

die Nacht würde leuchten wie der Tag,

die Finsternis wäre wie Licht.

Denn du hast mein Inneres geschaffen,

mich gewoben im Schoß meiner Mutter.

Ich danke dir, dass du mich so wunderbar gestaltet hast.

Ich weiß: Staunenswert sind deine Werke.

Als ich geformt wurde im Dunkeln,

kunstvoll gewirkt in den Tiefen der Erde,

waren meine Glieder dir nicht verborgen.

Deine Augen sahen, wie ich entstand,

in deinem Buch war schon alles verzeichnet;

meine Tage waren schon gebildet,

als noch keiner von ihnen da war.

Wie schwierig sind für mich, o Gott,

deine Gedanken,

wie gewaltig ist ihre Zahl!

Wollte ich sie zählen,

es wären mehr als der Sand.

Käme ich bis zum Ende,
wäre ich noch immer bei dir.

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